Die Zähmung des Pferdes

DAI, M. Hochmuth

Pferdeskelette aus dem 7.Jh. v.Chr. gefunden in Tuva (Westsibirien); Copyright: DAI, M. Hochmuth

Rätsel um die Domestikation des Pferdes ist gelöst – Ort und Zeit jetzt bekannt, so lautet der Titel einer Pressemitteilung des Forschungsverbundes Berlin e.V.. Tatsächlich war bislang offen, wo und wann genau die Domestizierung des Pferdes stattgefunden hatte. Mit Hilfe der Analyse von Farbgenen sehr alter DNA- Proben, ist es einem internationalen Wissenschaftlerteam nun gelungen, den Übergang des Pferdes vom Wild- zum Haustier auf das 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung zu datieren und als Region dieses in seinen kulturgeschichtlichen Auswirkungen geradezu revolutionären Ereignisses, die Ponto- Kaspische- Steppe (heutiges Russland, Kasachstan, Ukraine, Rumänien) fest zu machen.

Bereits seit einigen Jahren weisen archäologische Funde und archäozoologische Untersuchungen darauf hin, dass die Domestizierung von Pferden bereits im dritten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung stattgefunden haben muss. Über die Regionen der ursprünglichen Domestizierung konnte jedoch bislang nur spekuliert werden, obwohl moderne wissenschaftliche Methoden einschließlich der Molekulargenetik ein ganzes Ensemble an Puzzelteilen zur Frage des Ursprungs unserer Hauspferde ergeben haben. So weiß man, dass unser heutiges Hauspferd ausschließlich vom Wildpferd Equus ferus abstammt. Allerdings ist noch offen, welche der wilden Pferdeformen Urahnen der heutigen Hauspferde war. Das Przewalski- Pferd (equus ferus przewalski) so belegen die genetischen Untersuchungen, gehört jedenfalls nicht zu den Vorfahrenlinien.

Domestikation des Pferdes, eine kulturgeschichtliche Revolution

Wolfgang Schwerdt

Przewalsky- Pferd, kein Vorfahre unseres Hauspgferdes. Foto: Wolfgang Schwerdt

Ganz offensichtlich waren die Pferde wegen ihres Innovationsgehaltes für den Menschen etwas ganz Besonderes unter den domestizierten Tieren. Während beispielsweise Schaf, Ziege und Rind nur wenige DNA-Linien aufweisen, was auf eine geringe Zahl ursprünglich domestizierter Tiere schließen lässt, findet sich beim Pferd eine große Anzahl von DNA-Linien. Unter anderem daraus schlussfolgern die Wissenschaftler, dass dessen Domestikation in einer sehr großen Region stattgefunden haben muss. Die Ausbreitung des Hauspferdes über den ganzen eurasischen Raum fand, historisch durchaus ein kurzer Zeitraum, zwischen dem  dritten und zweiten vorchristlichen Jahrtausend statt. Und eben diese Tatsache machte es bislang schwer, den Ursprung der Pferdedomestikation auszumachen. Denn Pferdehaltung und Domestikation sind schließlich zwei verschiedene Angelegenheiten. Domestikation bedeutet ganz praktisch das Fangen und Zähmen von Wildtieren, währen die gehaltenen Pferde selbst ganz unterschiedliche Herkunft haben können. Sei es dass sie eben domestiziert wurden, dass sie als gezähmte Tiere gehandelt oder verschenkt wurden, oder zusammen mit den Tierhaltern in andere Gebiete eingewandert sind. Für all diese Vorgänge gibt es ausreichend archäologische und historische Nachweise. Bislang aber waren eben Ort und Zeitpunkt der ersten Domestizierung offen.

Die Hypothese der polytopen Entstehung des Hauspferdes

Bis zur Publikation der Studie „Coat color variation at the beginning of horse domestication“, auf die sich die Pressemitteilung des Forschungsverbundes Berlin bezieht, gab es auf der Basis des beschriebenen Informationspuzzels verschiedene Hypothesen zu Zeit und Ursprung der Pferdedomestikation. Durchgesetzt hat sich die Vorstellung, dass das Pferd in verschiedenen Regionen im weiten Areal des Wildpferdes, domestiziert worden war und sich von diesen „Zentren“ aus auf verschiedene Weise ausgebreitet hatte. Diese polytope Entstehung des Hauspferdes wird durch die recht genaue Kenntnis über den Beginn der Pferdehaltung in einigen Regionen Eurasiens und durch die Tatsache gestützt, dass nach der letzten Eiszeit nicht mehr überall in Eurasien die wilden Vorfahren unserer Hauspferde existierten. So gehörten Nord- und Teile Westeuropas, einige Gebiete in Südeuropa und bekanntlich Nordamerika in der Zeit der Pferdedomestizierung nicht mehr zum Verbreitungsgebiet des Equus ferus.

Wolfgang Schwerdt

Bunte Herde – Ergebnis der Domestikation. Foto: Wolfgang Schwerdt

Bunte Herden als Ergebnis der Domestikation

Mit der in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Studie hat die Forschergruppe aus Mitgliedern des Leibnitz-Institutes für Zoo und Wildtierforschung, des Deutschen Archäologischen Instituts, der Humboldt- Universität Berlin und des Max- Planck- Instituts für evolutionäre Anthropologie in Kooperation mit amerikanischen und spanischen Spezialisten der Lösung des Domestikationsrätsels bei Pferden ein weiteres wichtiges Puzzelteil der Erkenntnis hinzugefügt. Die Analysen von Farbgenen aus sehr alten DNA Proben hatte ergeben, das der rasante Anstieg der Fellfarbenvariabilität ein direktes Ergebnis der Domestikation ist, dass also umgekehrt der schnelle Anstieg von Farbvariationen ein sicheres Indiz für die Domestikation ist, die nun auch regional und zeitlich zugeordnet werden kann.

Mit den neuen Erkenntnissen über Ort und Zeit der ursprünglichen Domestikation des Pferdes ist die Hypothese über die polytope Entstehung des Hauspferdes aber nicht vom Tisch. Denn wie Dr. Arne Ludwig vom Leibnitz- Institut für Zoo und Wildtierforschung und Mitarbeiter der Forschungsgruppe auf Nachfrage bestätigte, eignen sich Farbmarker zwar  „. . . sehr gut zur Identifizierung des Ursprungs der Pferdedomestikation; sie sind aber nicht geeignet, zwischen einer singulären und multiplen Domestikation zu unterscheiden. Dafür sind Farbmarker zu konservativ, d.h. „regionale Mutationen“ sind nicht zu erwarten und damit kann letztlich nicht unterschieden werden, ob es eine zweite Domestikation oder eine Verbringung von Pferden gegeben hat. . . .“.

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