„Lilith“ eine Bandkeramikerin vom Fundplatz Düren-Arnoldsweiler

Lilith (2)Als Anfang 2009 mit den archäologischen Ausgrabungen an der zukünftigen Trasse der A4 bei Düren begonnen wurde, war das Ende der Grabungen bereits festgelegt. Ende 2010 wurde die archäologische Fundgrube von überregionaler Bedeutung wieder zugeschüttet, um den Autobahnbauern das Feld zu überlassen. Die Auswertung dessen, was in den knapp zwei Jahren zwischen dem rheinländischen Düren Arnoldsweiler und Niederzier-Ellen entdeckt und an Daten gesammelt wurde, wird die Wissenschaftler und Restauratoren nach Einschätzung der Ausgräber noch wenigstens ein Jahrzehnt beschäftigen.

Ein zeitlich breites Spektrum der regionalen Siedlungsgeschichte hat sich den Archäologen im Boden unter der zukünftigen Austobahn offenbart. Ein jungsteinzeitliches Dorf mit Bestattungsplatz, etwa um 5000 vor Christus gegründet, bildet den Anfang der Reise in die Vergangenheit. Es dürften die ersten Bauern im Rheinland gewesen sein, deren Spuren sich an diesem Fundort manifestieren. Und das nicht zu knapp, denn mit 35 Hausgrundrissen, dem drittgrößten Bestattungsplatz, der bundesweit aus jener Zeit bisher gefunden wurde sowie dem zweiten im Rheinland erhaltenen Kastenbrunnen, ist diese Bandkeramikersiedlung durchaus ein archäologisches Schwergewicht. Allein die mehr als 200 Gräber mit zahlreichen Beigabenfunden und natürlich dem Skelett der von den Ausgräbern auf Lilith getauften jungsteinzeitlichen Frau, liefern Datenmaterial, dessen Auswertung neue Erkenntnisse über Lebensbedingungen und Herkunft der ersten Siedler im Rheinland verspricht.

Zwischen Bronzezeit, Kelten und Römern

Rund 3000 Jahre später, also zur Bronzezeit hatten neue Siedler ihr Dorf oberhalb der jungsteinzeitlichen Siedlung errichtet. In welche der Epochen die ebenfalls entdeckte Erdbefestigung mit immerhin rund 100 Metern Durchmesser, einer nachgewiesenen Innenbebauung sowie einem auf 1440 v.Chr. datierten Röhrenbrunnen gehört, muss noch ermittelt werden.

Ein kleines eingefriedetes Keltendorf aus der Zeit um Christi Geburt, daneben ein eine Anlage aus dem 1. Jahrhundert – möglicherweise ein römisches Landgut, vielleicht ein Quellenheiligtum und schließlich eine Gruppe von Brandgräbern des 1./2. Jahrhunderts runden das aufsehenerregende Spektrum des Fundplatzes ab. Neben herausragenden und exemplarischen Artefakten wurden bei der knapp 2-jährigen Untersuchung des Geländes vor allem Daten gesammelt. Und, als einziges der etwa 110 gefundenen Skelette wurde die jungsteinzeitliche „Lilith“ geborgen und in das LVR-Landesmuseum Bonn zur Konservierung und Untersuchung überführt.

Lilith, die Bergung eines 7000 Jahre alten Skeletts

Etwa 20 bis 35 Jahre soll die Frau sein, die in zeittypischer Seitenlage mit leicht angewinkelten Beinen und vor das Gesicht gelegte Hände gefunden wurde. Bevor sie ihre Reise in die Werkstätten des Landesmuseums antreten konnte, waren komplizierte Vorarbeiten notwendig geworden. Denn auch wenn das Skelett verhältnismäßig gut erhalten ist, bei einem Fund diesen Alters und dieser Art, bedeutet „gut erhalten“ nicht unbedingt stabil. Daher hatte man sich für einer sogenannten Blockbergung entscheiden. Zunächst einmal mussten die freigelegten hochempfindlichen Knochen sorgfältig auf dem Boden fixiert werden. Danach wurde das Grab mitsamt dem umgebenden Erdreich als Block freigelegt, mit Holzplatten eingeschalt und schließlich mit einer Stahlplatte unterschoben. Rund zwei Tonnen wiegt Liliths mächtiges Erdbett, in dem die Dame aus der Steinzeit nun ihrer Konservierung und späteren Zur-Schau-Stellung harrt.

Die Konservierung der Bandkeramikerin

Die konservatorischen Herausforderungen sind immens, wie der Restaurator des LVR-Landesmuseums, Marco Romusso, im Rahmen einer Pressepräsentation erklärte. Denn im Grunde besteht das Skelett kaum noch aus Knochensubstanz, sondern überwiegend aus einer mit Lehm verfüllten millimeterdünnen Calciumphosphatschicht. Das im stark durchfeuchteten, sehr fetten Lehm des umgebenden Erdreichs enthaltene Wasser verhindert, wie Romusso feststellte, „jegliches Eindringen eines wie auch immer formulierten Festigungsmittels“. Im Klartext bedeutet dies: Solange der Block mit der bronzezeitlichen Lady nicht vollständig durchgetrocknet ist, ist an eine abschließende Konservierung nicht zu denken.

Kontrolliertes, langsames Antrocknen lassen mit ständiger punktueller Festigung der angetrockneten Knochensubstanz war die konservatorische Aufgabe der folgenden Monate. Dabei musste trotz aller Behutsamkeit mit sogenannten Schwundrissen gerechnet werden. Daher galt es während der Trocknung, Kittmassen zu erproben, mit denen Fehlstellen und Risse in Skelett und Erdblock nach abschließender Konservierung gefüllt werden können.

Die letzte „Ruhestätte“ Liliths

Im November 2011 war es dann soweit. Das fertig präparierte Skelett der jungsteinzeitlichen Frau wurde in der Dauerausstellung „Neandertaler & Co“ im LVR-Landesmuseum in eine Vitrine gelegt. Das eigentlich Spektakuläre an „Liliths“ Grab ist jedoch weniger ihre öffentliche Zur-Schau-Stellung, sondern vielmehr die in der Fachwelt mit Spannung erwarteten Ergebnisse der Auswertung der im Rahmen des gesamten Fundhorizontes erhobenen Daten, zu denen der Knochenfund Liliths mit der Nummer 4953 sicherlich einen Beitrag leisten wird.

Zum Foto: In der Werkstatt des LVR-LandesMuseums am jungsteinzeitlichen Skelett: (von links) Horst Husmann, einer der Ausgräber, Dr. Gabriele Uelsberg, Direktorin des LVR-LandesMuseums, Hans-Georg Hartke, Restaurator und Dr. Ralf W. Schmitz, Fachreferent für Vorgeschichte. (Foto: Hans-Theo Gerhards, LVR-Museumsverbund)

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