Rezension: Die Parther

001Als vergessene Großmacht bezeichnen Uwe Ellerbrock und Sylvia Winkelmann die Parther,  deren Reich fast 500 Jahre Bestand hatte und den Römern schwer zu schaffen machte. Mit Die Parther legen sie nun einen umfassenden Überblick zur kulturellen und geschichtlichen Entwicklung der antiken Großmacht vor.

Tatsächlich ist das Wissen um die Parther beschränkt. Und so weisen die Autoren gleich zu Anfang auf die schwierige Quellenlage hin. Natürlich liegt es nahe, dass das Bild, das die römischen oder griechischen Zeitgenossen von ihren militärischen und wirtschaftlichen Konkurrenten zeichneten, nicht wirklich objektiv ist. Da werden die Niederlagen, die die Parther dem Imperium beigebracht haben in römische Siege umgemünzt, und Feindbilder konstruiert. Und die Nachfolger der Parther, die Sasaniden, haben, so die Autoren, „erfolgreich versucht, die Erinnerung an die Parther auszumerzen.“

Ab 247 v. Chr. erobern die Parther den Orient bis nach Indien

247 vor Christus bemächtigten sich die im Südosten des Kaspischen Meeres ansässigen Parner eines seleukidischen Verwaltungsbezirkes, übernahmen Name und Sprache der dort lebenden Parther und eroberten als solche schließlich ein Reich, das in seiner größten Ausdehnung von Syrien bis nach Indien und vom Kaspischen Meer bis zum Golf von Persien reichte. Nach Ellerbrock und Winkelmann wurde spätestens zur Zeitenwende „eine neue synkretische parthische Kultur mit globalen Wurzeln geschaffen, die lange und unerkannt bis heute nachwirkt.“

Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, eine eigenständige Kultur zu fassen, in denen sich griechische, indische, vorderasiatische, medische, persische, baktrische, hellenistische und viele andere Elemente mischen (Synkretismus) und deren Relikte im eigentlichen Herrschaftsbereich nur spärlich zu finden sind. Und so machen sich die Autoren von verschiedenen Blickwinkeln und Regionen aus auf den Weg, der parthischen Kultur in all ihren Facetten auf die Spur zu kommen.

Ein Numismatiker und eine Archäologin auf den Spuren der Parther

Hauptquellen der Spurensuche sind die vor- und nachparthischen Reiche und die parthischen Einflussbereiche, für die sich zahlreiche archäologische und historische Quellen finden. Aus diesen und aus der Analyse parthischer Münzen leiten die Autoren die spezifischen Merkmale parthischer Kultur und Gesellschaft ab, die allerdings – wie der erwartungsvolle Leser feststellen muss – nicht immer wirklich spezifisch sind. Etwa wenn über Wirtschaft, Verwaltung und Herrschaftsstrukturen spekuliert wird und der Leser dabei vor allem die altorientalischen Herrschaftssysteme wiedererkennt, die die Parther von ihren Vorgängern offensichtlich nahezu unverändert übernommen und an die Nachfolger weitergegeben haben. Als spezifisch parthisch mag in verschiedener Hinsicht die Militärorganisation gelten. Aber auch die geradezu sagenhaften Panzerreiter – ein erfolgreiches Relikt aus nomadischen Zeiten – finden sich ebenfalls bei den Sarmaten oder Skythen, den unruhigen Nachbarn der Parther.

Die Parther hatten Einfluss auf die christlich abendländische Kultur

Immer wieder beschleicht den Leser das Gefühl, die Parther könnten ein künstliches Produkt phantasievoller Historiker- und Archäologenhirne sein, wären da nicht die eindeutigen Belege für die Existenz des geheimnisvollen Reiches, dessen letzter König 224 nach Christus in der Schlacht von Hormuzdagan gegen den Sasanidenkönig Ardaschir I. fiel und das damit der nun aufstrebenden Herrschaft der Sasaniden weichen musste. Immerhin betätigten sich die Parther als erfolgreiche Modedesigner, die die praktische Berufskleidung der Steppenkrieger zur orientalischen Herrschertracht entwickelten. Sie hinterließen der Nachwelt Kuppelbauten und Iwane, die die islamische Architektur und den christlichen Kirchenbau nachhaltig prägten. Parthische Münzen geben Zeugnis von den Herrschern und eine eigenständige parthische Schrift belegt ebenfalls die reale Existenz des hinsichtlich seiner Bevölkerung so heterogenen Reiches. Das Partherreich wirkte als kultureller und kommerzieller Vermittler zwischen Europa und Indien, lieferte Seide und Gewürze nach Rom, schuf Rundplastiken und sorgte für den Erhalt und die Weiterentwicklung iranischer Felsreliefkunst und hellenistischen Stuckdekors. Sagen und Mythen, die sich heute im iranischen oder mitteleuropäischen Literaturschatz befinden, gehen auf die Dichter der Parther zurück. So beispielsweise der Sagenkreis um den iranischen Helden Rustan oder die Liebesgeschichte um Tristan und Isolde.

Die Autoren haben die Parther aus dem Dunkel der Vergangenheit geholt

Das Buch Die Parther ist vor allem ein Überblickswerk, in dem akribisch möglichst alle Informationen zusammengetragen sind, die über die Parther zu finden sind. Dabei mangels direkter Quellen immer wieder durch Ableitungen aus der parthischen Peripherie, sowohl zeitlich aus auch geographisch. Behandelt werden nahezu alle denkbaren Bereiche wie Architektur, Städte, Kulturtransfer, Herrschaftsstruktur, Gesellschaft, Zeitrechnung, Handel und Wirtschaft, Kunst oder Religion. Der Leser erfährt über Tierzucht und Märkte, Sklaven und Kriegsgefangene, Kleidung, Musik und Erziehung, Literatur und Münzinschriften. Letztere sind nicht nur oft erstaunlich ergiebige historische Quellen, sondern auch Leidenschaft des Arztes und Numismatikers Uwe Ellerbrock, der sich zusammen mit der Archäologin Sylvia Winkelmann an die schwierige Aufgabe gemacht hat, den Lesern ein Bild von der faszinierenden antiken Großmacht zu vermitteln. Um dieses zweifellos interessante Thema lebendig zu gestalten, wären sicherlich andere Stilmittel erforderlich gewesen. Die oft passiven Formulierungen lassen in Zusammenhang mit der hohen Informationsdichte die Ausführungen jedenfalls recht farblos wirken. Dennoch sind Die Parther als nahezu unerschöpfliche Informationsquelle zum 500 Jahre existierenden orientalischen Großreich zu empfehlen.

Uwe Ellerbrock, Sylvia Winkelmann: Die Parther. Die vergessene Großmacht, Philipp von Zabern 2012. Gebunden, 290 Seiten.

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