Graue Riesen in Natur und Kultur
Dem größten noch lebenden Landsäugetier widmet das Knauf-Museum Iphofen vom 31. März bis 10. November 2019 eine Sonderausstellung und einen Begleitband, der sich vor allem mit den kulturgeschichtlichen Aspekten der grauen Riesen befasst. Die meisten Menschen kennen das Rüsseltier als Elfenbeinlieferant, Publikumsmagnet in Zoos und leider immer noch aus dem Zirkus. Auch in freier Wildbahn kann man den Dickhäuter mit der sieben Millionen Jahre alten Ahnenreihe noch beobachten und natürlich findet man ihn auch auf der Liste der bedrohten Tierarten. Die Autoren der Aufsatzsammlung „Elefant“ entführen den Leser in die in mehrfacher Bedeutung aufregende Welt der Mensch-Elefant-Beziehung von der letzten Eis- bis in die heutige Zeit.
Evolution und Biologie der Elefanten
Das Kapitel zur Evolutionsgeschichte und Biologie des Elefanten umfasst gerade einmal 14 Seiten, hat es aber durchaus in sich. In Wort und Bild erhält der Leser hier zunächst einen gut verständlichen Abriss der Evolutionsgeschichte, um anschließend mit den wesentlichen körperlichen Merkmalen der Rüsseltiere vertraut gemacht zu werden. Allein die Informationen zu den Stoßzähnen bergen so manche Überraschungen, ebenso wie die zum Gebiss oder zum Schädel. Hier wird nicht nur beschrieben, sondern auch die evolutionären Hintergründe erklärt. Und haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie eigentlich die Elefantendusche funktioniert?
Mensch-Elefanten-Beziehung Zwischen Verehrung, Erniedrigung und Ausrottung
Keiner der fünfzehn Beiträge ist übermäßig lang und doch gelingt es den Autoren jeweils einen tiefen Einblick in den jeweils behandelten Aspekt zu vermitteln. Der Beitrag „Dem illegalen Handel auf der Spur“ beispielsweise stellt nicht nur den Status der Elfenbeinwilderei und des illegalen Handels dar, sondern zeigt auf, wie mittels Isotopenanalysen die Herkunft von konfisziertem Elfenbein bestimmt, Schmuggelrouten nachverfolgt und das Alter der gehandelten Stoßzähne festgestellt werden kann. Elfenbein steht in Form einer Mammutgravur auf einem Stoßzahnfragment auch im Mittelpunkt des Aufsatzes „Giganten der Eiszeit“. Hier deutet sich bereits das zwiespältige Verhältnis zwischen Mensch und Elefant an: Einerseits Fleisch- und Rohstofflieferant, andererseits verehrtes, sogar göttliches Wesen.
Die Antike und ihre Elefanten
Wer kennt sie nicht, die Geschichte, wie Hannibal mit seinen Kriegselefanten über die Alpen zieht? Dr. Dorothee Schäfer vom Museum Fünf Kontinente ist in ihrem Aufsatz Wo sind Hannibals berühmte Elefanten geblieben? sowohl den historischen Hintergründen, als auch den Dickhäutern des karthagischen Feldherrn auf der Spur. Ganze Heere von Kriegselefanten durchziehen die afrikanische und asiatische Geschichte und wenn die grauen Riesen am Ende auch nicht mehr Kriegsentscheidend, sondern vor allem Prestigeobjekte der jeweiligen Herrscher waren, ihre Faszination bleibt bis heute ungebrochen. Und während die biologischen Vertreter ihrer Art in Schlachten und als Arbeitstiere verbraucht wurden, erfuhren ihre transzendenten Artgenossen in den östlichen Religionen göttliche Verehrung. Wenigstens blieb ihnen das abgeschlachtet werden in römischen Arenen weitgehend erspart, die Tötung von Elefanten während der so beliebten Tierhatzen kam nämlich beim Publikum gar nicht gut an.
Elefanten in der Unterhaltungsindustrie
In Mitteleuropa taucht der Elefant in historischen Zeiten zunächst als recht phantastische Kreatur in mittelalterlichen Publikationen auf. Erst mit den Menagerien, Zirkussen und Völkerschauen des 19. und 20. Jahrhundert wurde der Elefant auch hierzulande erlebbar. In unserer Erlebniswelt konnten wir das faszinierende Wesen dabei vor allem als mit textilem und metallenem Schmuck überladenes exotisches Reittier bewundern oder seine unbändige Kraft bei seiner Vorführung als Arbeitselefant bestaunen. Und natürlich sind vielen Lesern noch die entwürdigenden Zirkusschauen mit den unter Zwang andressierten „Kunststücken“ in Erinnerung. Dieses Vorführen und die nicht artgerechte Haltung (über die natürlichen Lebensbedingungen der Elefanten gibt Wolfgang Stein am Ende des Buches unter „Die grauen Riesen in Zahlen und Fakten“ Auskunft) ist in der zirzensichen Unterhaltungsindustrie leider immer noch an der Tagesordnung.
Der Elefant in den mitteleuropäischen Erlebniswelten
Mit seinen persönlichen Erinnerungen an die Elefantenparade eines Zirkus, der 1981 nach Würzburg kam, führt der Leiters des Knauf-Museums übrigens in seinem Vorwort in das Thema ein. Am Ende der spannenden Zeit- und Kulturreise, findet sich der Leser im Rahmen eines Interviews mit dem Elefantenpfleger Navin Adami schließlich im Münchener Tierpark wieder. Eine wirkliche gelungene Darstellung der Kulturgeschichte des Elefanten.
Markus Mergenthaler, Wolfgang Stein (Hrsg.): Elefant. Graue Riesen in Natur und Kultur. Nünnerich-Asmus 2019. Gebunden 211 Seiten.