Dampfschiff Oberhausen, eine australische Prise im Ersten Weltkrieg
„Tragödie auf hoher See – Chefsteward ermordet – Körper über Bord geworfen“, „Dampfer Oberhausen in Hobart festgehalten“, „Prisengericht – SS Oberhausen (SS steht für Steam Ship) – Befehl zur Beschlagnahme erteilt“. Diese Schlagzeilen der australischen Presse des Jahres 1914 umreißen die Ereignisse, die das 1905 gebaute Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft für kurze Zeit in das Licht der südostaustralischen, besonders der tasmanischen Öffentlichkeit gebracht hatte. Es ist die Geschichte der Beschlagnahme eines deutschen Handelsschiffes, wie sie sich – in unterschiedlichen Variationen – in vielen Häfen der Welt anlässlich des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges abgespielt hat.
Die Ermordung des Chefstewards hatte natürlich weder etwas mit dem Ersten Weltkrieg noch mit der Internierung des Schiffes bei dessen Ausbruch zu tun. Für die etwas ausführlichere Berichterstattung hinsichtlich der Beschlagnahme dürfte der recht zeitnahe Kriminalfall an Bord doch förderlich gewesen sein.
Der Chefsteward verschwindet spurlos auf hoher See, sein Stellvertreter gerät unter Mordverdacht
Das Schiff befand sich auf der Reise zwischen Fremantle an der Westküste Australiens und Port Adelaide in Südaustralien, als der Chefsteward spurlos verschwand und Tage später der zweite Steward, Paul Gunther, nach Untersuchungen des Kapitän Meier des Mordes verdächtigt wurde. Tatsächlich gab es zwischen den beiden einen Streit in dessen Verlauf – wie der Melburner „Argus“ am 09. Juli 1914 berichtete – Gunther seinen Chef mit einer Bierflasche niederstreckte und anschließend über Bord geworfen haben soll. In Absprache mit den australischen Behörden und dem deutschen Konsul in Port Adelaide sollte Paul Gunter mit dem Postschiff des Norddeutschen Lloyd, SS Zieten, nach Deutschland gebracht und dort der Justiz überstellt werden. Zweifellos war die Erinnerung der Medien an den etwas merkwürdigen Mordfall noch frisch, als am 04.08. 1914 Großbritannien Deutschland den Krieg erklärte und die SS Oberhausen in Port Huon, im Süden Tasmaniens gerade dabei war, rund 250.000 Festmeter Holz für Südafrika zu laden.
Bei Ausbruch des Krieges wurde die SS Oberhausen in Port Huon, Tasmanien beschlagnahmt
Die tasmanischen Behörden reagierten prompt. Der Chef des regionalen Marinekommandos setzte unverzüglich eine Gruppe Reservisten von Hobart aus in Bewegung, um das nun feindliche Schiff in Besitz zu nehmen in den Hafen der Tasmanischen Hauptstadt holen zu lassen. Dort, so berichtete der „Examiner“ von Launceston am 06. August des Jahres, würden gemäß der Hager Konvention Schiff und Mannschaft für drei Tage festgehalten, um abzuwarten, wie Deutschland seinerseits mit den internierten Schiffen seiner Gegner verfährt. Sollten die Deutschen – so die offizielle australische Position – britische Handelsschiffe (also Schiffe des Commonwealth) freilassen, so würde auch die Oberhausen freies Geleit erhalten, um – mit ausreichend Kohle versorgt – einen neutralen Hafen zu erreichen. Am 06. Oktober 1914 trat schließlich erstmals das Prisengericht zusammen, um über das Schicksal von Schiff und Ladung zu entscheiden.
Eine komplizierte Verhandlung
Die Einrichtung eines Prisengerichtes hat eine Jahrhunderte alte Tradition. Es hat die Aufgabe, die Rechtmäßigkeit und Verwendung der Aufbringung gegnerischer oder neutraler Schiffe in Kriegszeiten festzustellen und zu regeln. Nicht immer ein einfaches Unterfangen, wie die Verhandlungen zur SS Oberhausen zeigen. Immerhin mussten die insgesamt fünf Vertreter der britischen Krone, der Eigentümer des Schiffs, der Eigentümer der Ladung – darunter die tasmanische Huon Timber Corporation – und des australischen Generalagenten der Oberhausen gehört werden.
Zunächst hatte das Gericht die Frage zu klären, ob das Schiff beschlagnahmt, also enteignet war, oder als interniert, also lediglich als festgehalten betrachtet werden konnte. Da ging es um Entschädigungsfragen, um Erfüllung von privatwirtschaftlichen Verträgen und natürlich um die militärischen Interessen der Admiralität. Angesichts der vielschichtigen wirtschaftlichen Probleme, die eine Enteignung nach sich gezogen hätte, entschieden sich seine Ehren für ein eher aufschiebendes Urteil. Das Schiff sollte so lange als festgehalten gelten, bis das Gericht endgültig über das Schicksal der SS Oberhausen entscheiden würde. Tatsächlich gab es angesichts der offensichtlich nie gefallenen abschließenden Entscheidung über den Status des Schiffes noch in den 1920er Jahren juristische Auseinandersetzungen zu Entschädigungsfragen zwischen den Ladungseigentümern und der britischen Krone.
Ein Schiffsschicksal wie viele andere

Die Oberhausen als BOORAL mit Tarnanstrich im Dienste der australischen Regierung
Foto by Allan C. Green 1878-1954 photographer. Collection of State Library of Victoria.
Ungeachtet der rechtlichen Fragen wurde die Oberhausen 1915 von der australischen Regierung requiriert und unter dem Namen BOORAL für Truppentransporte eingesetzt. 1918 ging das Schiff in den Besitz der Commonwealth Government Line of Steamers in London über und ab 1923 fuhr die BOORAL für die Australien Commonwealth Line of Steamers, ebenfalls mit Sitz in London. 1926 wurde sie an eine griechische Reederei verkauft und in ATLAS umbenannt, nach einem erneuten Wechsel 1928 erhielt sie den Namen ELIDOPHOROS. 1930 lief das Schiff bei der italienischen Hafenstadt Civitaveccia auf Grund, als sie mit einer Ladung Kohle aus Swansea, Wales kam. Sie wurde gehoben und anschließend abgewrackt.
Die SS Oberhausen war eines der 55 Frachtschiffe, mit denen die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft zu Beginn des Ersten Weltkrieges ihre sieben Linien zwischen Europa und dem australischen Raum bediente. 29 dieser Schiffe wurden von Großbritannien, Portugal, USA und Australien gekapert und beschlagnahmt. Nach dem Krieg musste auch der Rest der Flotte an die Entente abgeliefert werden.
Die Crew der SS Oberhausen
Spätestens als die Oberhausen requiriert wurde, musste die Mannschaft an Land untergebracht werden. So lebte sie seit Februar 1915 in der nun als Internierungslager genutzten im Jahre 1900 eingerichteten Quarantänestation auf Bruny Island. Bereits die Zeit an Bord der Oberhausen war wegen der erzwungenen Untätigkeit für die Männer nicht sonderlich angenehm, die lokale Presse berichtete sogar von einer Meuterei an Bord. Die Situation auf Bruny Island schien da eine deutliche Verbesserung darzustellen, wie die australische Historikerin Kathy Duncombe im Gespräch mit GeschiMag veranschaulicht. Etwa um 1916/17 dürften die rund 70 deutschen Gefangenen der Quarantänestation einschließlich der Männer der Oberhausen nach Holsworthy, einem riesigen Internierungslager nahe Liverpool bei Sydney überstellt worden sein. Hier verliert sich zunächst ihre Spur zwischen den insgesamt rund 6000 internierten Deutschen Kriegs- und Handelsschiffsmatrosen, Geschäftsleuten und deutschstämmigen Australier, die pauschal der Kollaboration mit dem Feind verdächtigt wurden.
Im Laufe des Jahres 1919 wurde das Internierungslager aufgelöst und wahrscheinlich waren auch Männer der Oberhausen an Bord des russischen Dampfers Kursk, der wohl die meisten deutschen Kriegsgefangenen in ihre Heimat zurückbrachte. Auf dem Weg nach Europa forderte die gefürchtete „Spanische Grippe“ auf dem überfüllten Schiff mehr als 20 Todesopfer unter den Heimkehrern.
Spurensuche der Friends of Bruny Island Quarantine Station
Die Internierung der Mannschaft der SS Oberhausen war nur eine kurze Episode in der Geschichte der Quarantänestation auf Bruny Island. Dass diese hier auf GeschiMag aufgegriffen wurde, ist der Arbeit der 2011 ins Leben gerufenen Initiative Friends of Bruny Island Quarantine Station (FOBIQ) und ihrer Vorsitzenden, Kathy Duncombe zu verdanken, mit der GeschiMag das im Anschluss dieses Beitrags veröffentlichte Gespräch geführt hat. Zur Aufarbeitung und Dokumentation der Geschichte der in ein komplexes Naturschutz- und Tourismusprogramm eingebundenen historischen Quarantänestation ist die FOBIQ nämlich auf der Suche nach Kontakten zu interessierten Angehörigen der Oberhausen-Crew in Deutschland. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der sich nun zum 100sten mal jährt, erscheint hierfür ein geeigneter Anlass.
Interview mit Kathy Duncombe, Präsidentin der Friends of Bruny Island Quarantine Station
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