GeschiMag im Gespräch: Mansfeld Biograf Walter Krüssmann


Mit dem Buch Ernst von Mansfeld (1580–1626); Grafensohn, Söldnerführer, Kriegsunternehmer gegen Habsburg im Dreißigjährigen Krieg präsentiert Walter Krüssmann eine umfassende Analyse des Lebens und Wirkens des Luxemburger Berufskriegers. GeschiMag* sprach mit dem Autor.

GeschiMag: Herr Dr. Krüssmann, was hat Sie veranlasst, eine Biografie über einen in der Literatur so übel beleumundeten Söldnerführer wie Ernst von Mansfeld zu schreiben?

Krüssmann: Mein Interesse für Mansfeld wurde geweckt, als ich 13 Jahre alt war – zuerst durch eine Jugend-Zeitschrift, dann durch C. V. Wedgwood und Golo Mann. Was mir schon damals auffiel, war Manns unverhohlene Abneigung gegenüber dem Söldnerführer („Bastard-Graf“, „Mordunternehmer“), wogegen Wedgwood bei aller Kritik doch einiges Verständnis für dessen Motive gezeigt hatte. Den Entschluss, dem Mansfelder eine umfassende Biographie zu widmen, habe ich erst viel später gefasst – auf Anregung meines Doktorvaters, Prof. Dr. Johannes Kunisch.

Natürlich bieten die Quellen kein lückenloses Bild; gerade Kindheit und Jugend erscheinen auch bei anderen, höheren Persönlichkeiten jener Zeit meist als „Mosaik, in dem viele Steine fehlen“ (Golo Mann). Aber ich wollte sehen, wie nahe man dem historischen Ernst von Mansfeld kommen kann, wollte seinen Lebensweg verstehend nachvollziehen und ihn nachvollziehbar darstellen.

Viele Fehler in der alten Literatur tauchen neueren Arbeiten wieder auf 

Die vorhandenen Biographien waren unbefriedigend, boten aber eine Grundlage; inzwischen waren wertvolle Ergänzungen erschienen (z.B. regionalhistorische Studien; wissenschaftliche Quellen-Editionen), die endlich einzubeziehen waren. Außerdem sind in der alten Literatur auch viele Fehler und vorgefaßte Meinungen überliefert, die in neueren Arbeiten noch immer wiederkehren. Das aber hieß, dass die heutige Geschichtswissenschaft bei der Anwendung ihrer modernen Modelle und Methoden mitunter auf einen fragwürdigen Befund an vermeintlichen Tatsachen zurückgreift. Also galt es zunächst eine Vielzahl von Einzelheiten zu klären, angefangen mit Fragen zur Chronologie (Julianischer bzw. Gregorianischer Kalender), zu einzelnen Orten, Akteuren und vielem mehr. Übrigens: Wo die alte Literatur zuverlässig berichtete, konnte sie selbstverständlich zitiert werden, selbst Villermont und sogar Ütterodt (man hat mir das zum Vorwurf machen wollen!).

GeschiMag: Welche Bedeutung hatte Mansfeld als Kriegsunternehmer in den Anfangsjahren des Dreißigjährigen Krieges, verglichen etwa mit Tilly oder Christian von Braunschweig?

Krüssmann: Tilly, rund 20 Jahre älter als Mansfeld, war 1610 in bayerische Dienste getreten und verblieb darin bis zu seinem Tode (1632). Bis 1618 war auch Mansfeld als Militärorganisator eine namhafte Größe geworden, bekannt allerdings auch durch einen Eklat im Sommer 1610, als er von den Habsburgern zu deren Gegnern abgefallen war. Tilly genoss die Unterstützung eines willensstarken Prinzipals (Herzog Maximilian von Bayern) mit einem leistungsstarken Staatswesen. Mansfeld hatte solchen Rückhalt nicht, griff daher zu Zwangsmaßnahmen gegenüber Obrigkeiten und Bevölkerung, von verhüllten Drohungen bis zum Terror, die sich allerdings auch bei Tilly und anderen finden. Herzog Christian (der Halberstädter) tat es Mansfeld nach, hätte das Kriegführen aber gar nicht nötig gehabt; der junge Welfe zog (nach eigenem Bekenntnis) deshalb zu Felde, weil er Lust dazu hatte.

Mansfeld gelang es unter schwierigsten Bedingungen neue Heere aufzustellen

Besonderheiten Mansfelds sind seine in viele Sprachen übersetzten Druckschriften, seine erfolgreichen Bemühungen um ausländische Unterstützung und eine listige Verhandlungskunst, mit der er nicht zuletzt seine Dienstherren unter Druck setzte. Während der Bayernherzog wusste, dass er sich auf Tilly verlassen konnte, hatten Mansfelds Auftraggeber stets Zweifel an seiner Loyalität. Mansfeld gelang es unter schwierigsten Bedingungen und trotz schwerer Rückschläge, kriegsstarke Heere (sogar mit eigenem Geschütz) aufzustellen, zu vergrößern und zu führen. Es gab damals nicht viele Kriegsunternehmer im Reich, die das vermochten; und unter denen, die gegen Habsburg antraten, war er 1620 bis 1625 eindeutig der größte. Damals wuchs der böhmisch-habsburgische Konflikt sich zum europäischen Krieg aus; und der umtriebige Mansfeld, gleichsam Schüler des Fürsten Christian von Anhalt, war ein Motor dieser Europäisierung – mit fatalen Konsequenzen.

GeschiMag: Gerade den Armeen unter Führung Mansfelds eilte der Ruf voraus, eine Räuber- und Mörderbande zu sein. Teilen Sie diese Auffassung, vor allem im Vergleich zu anderen Armeen?

Krüssmann: Die Quellen belegen, dass Durchzüge mansfeldischer Soldateska eine entsetzliche Heimsuchung waren. Irreführend ist jedoch die beliebte Zeichnung in schwarz-weiß – wobei den Mansfeldischen („Horden“, „Räuberschwarm“) alle schlechten Eigenschaften zugeschrieben werden, während den kaiserlichen und bayerisch-ligistischen Truppen „soldatische“ Disziplin attestiert wird, obwohl der Quellenbefund dagegen spricht. So haben letztere sich in Böhmen und der Pfalz ebenfalls abscheulich aufgeführt, auch in Norddeutschland. Machtmissbrauch und Übergriffe, vor allem wenn es an Aufsicht mangelt, zeigen sich im Krieg und unter Besatzung bis in die jüngste Zeit auch bei modernen Armeen, deren logistische Organisation – im Gegensatz zum 17. Jahrhundert – kaum mehr zu wünschen übrig lässt.

Das Bild von der Mörderbande ist nicht unberechtigt, aber einseitig

Außerdem: Der Pfalzgraf Friedrich V. und Mansfeld waren in der Reichsacht, ihre Armee folglich eine Rebellen-Armee. Die Gegenseite wies ständig darauf hin. Und Mansfeld, anfangs von manchen als Organisator militärischen Widerstandes gegen den katholischen Vormarsch begrüßt, wurde seit 1622 zunehmend als Reichsunruhestifter wahrgenommen. Das schreckliche Los des neutralen Ostfriesland, das 14 Monate verheerender Besatzung erlitt, hat das Bild von der mansfeldischen Räuber- und Mörderbande dann endgültig fixiert. Man kann nicht behaupten, es sei unberechtigt; aber es ist einseitig.

GeschiMag: Endete mit Mansfelds Tod die Zeit der großen Söldnerführer?

Krüssmann: Der Dreißigjährige Krieg brachte im Reich ein letztes Aufblühen des privaten Kriegsunternehmertums, weil die meisten Beteiligten noch keine eigene Militärorganisation oder die grundlegende Steuer- und Finanzverwaltung hatten. Mansfeld († 1626) war dabei zwar einer der ersten, die zu militärischen Großunternehmern aufstiegen, aber nicht der letzte. Bald begann Wallenstein († 1634), freilich von ganz anderen Grundlagen ausgehend, ihn weit zu übertreffen, zunächst in den böhmischen Ländern, seit 1625 dann im Reich. Ein weiterer war Bernhard von Sachsen-Weimar († 1639), der einst bei Mansfeld angefangen hatte und kurz vor seinem frühen Tode dessen Pläne von einem Elsässer Fürstentum unter französischem Schutz zu verwirklichen schien. Die Macht solcher Kriegsunternehmer bedrohte Land, Leute und ganze Herrschaften; dies künftig zu verhindern, wurde ein Hauptanliegen des werdenden modernen Staates, der hierzulande aber nicht auf Reichsebene, sondern in den reichsständischen Territorien verwirklicht wurde.

*Die Fragen stellte Manfred Gindle

Walter Krüssmann: Ernst von Mansfeld (1580–1626); Grafensohn, Söldnerführer, Kriegsunternehmer gegen Habsburg im Dreißigjährigen Krieg. Berlin 2010, Duncker & Humblot. 742 Seiten.

Weitere Informationen zum Buch und dessen Autor:  krüssmann

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