„Meisterwerke der Buchmalerei“, das Buch zur Furtmeyr-Ausstellung

Das Werk des Regensburger Buchmalers Berthold Furtmeyr illustriert die spannende Zeit des kunstgeschichtlichen Umbruchs vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit.

6715_131Viel weiß die Fachwelt über die Person des Regensburger Buchmalers Berthold Furtmeyr nicht. Obwohl er so bedeutende Werke wie die so bezeichnete Furtmeyr-Bibel, die Salzburger Missale (Messbuch) und nicht zuletzt das Heidelberger Schicksalsbuch geschaffen hat. Fest steht, dass er 1471 in der Malerstraße wohnte und dort eine Stallung besaß, in der 12 Pferde untergebracht werden konnten. Halbwegs wohlhabend und geachtet dürfte er also gewesen sein, auch wenn er in den städtischen Unterlagen immer wieder in Zusammenhang mit Schulden auftaucht. Zuletzt wird der Buchmaler 1501 indirekt erwähnt, als ein Hanns Hennsperg mit der Bezeichnung „Furtmeyrs Schwiegersohn“ als Neubürger in Regensburg aufgenommen wird.

Furtmeyr und Regensburg

Der Begleitband zur Furtmeyr-Ausstellung setzt sich auch mit der Person des Buchmalers auseinander. Im Mittelpunkt des Buches „Furtmeyr, Meisterwerke der Buchmalerei und die Regensburger Kunst in Spätgotik und Renaissance“ steht jedoch das umfangreiche und kulturgeschichtlich bedeutende Werk des Malers im Kontext der kulturellen, künstlerischen und historischen Prozesse seiner Zeit. In 27 Essays werden daher nicht nur künstlerische Bewertungen der zahllosen Miniaturen Furtmeyr abgegeben, sondern die Autoren weisen immer wieder auf die Funktion der Buchmalerei in jener Zeit hin, der sich die künstlerische Ausdrucksform weitgehend zu unterwerfen hatte.

Buchmalerei Furtmeyrs in der Dynamik kulturgeschichtlicher Veränderungen

In den Essays nähern sich die Autoren dem Buchmaler als Handwerker, dem Illustrator als Künstler und dem Menschen als Bürger und Unternehmer immer wieder neu aus unterschiedlichen Perspektiven, in anderen Zusammenhängen und vor allem als Teil einer Entwicklung(,) die ihre Wurzeln im Mittelalter hat und in die Frühe Neuzeit hineinreicht. Insofern ist „Furtmeyr, Meisterwerke der Buchmalerei“ kein typischer Kunstband, der Ästhetik und künstlerische Eigenständigkeit in den Vordergrund stellt. Der Leser erhält vielmehr ein sehr umfassendes und komplexes Bild des historisch und kulturell so dynamischen 15./16. Jahrhunderts.

Furtmeyr zwischen Mittelalter und Neuzeit

Immerhin lebte Furtmeyr in einer Zeit, in der Regensburg von einem wichtigen ökonomischen und kulturellen Zentrum geradezu in die Bedeutungslosigkeit gestürzt war. Eine Zeit, in der die Buchdruckerei und die zunehmende Lesefähigkeit zumindest der städtischen Bevölkerung begannen, der Buchmalerei einerseits Konkurrenz zu machen, andererseits neue Impulse zu verleihen. Es war die Zeit, in der die Kunst neben ihrer Aufgabe, religiöse und profane Inhalte im Rahmen vorgegebener Bildsprachen zu vermitteln, ein gewisses kreatives Eigenleben entwickelte, das schließlich mit den Namen Altdorfer, einem möglichen Schüler Furtmeyrs oder Dürer in Verbindung gebracht werden kann.

Furtmeyr der Schlachtenmaler

Der im 19. Jahrhundert in Fachkreisen noch sehr bekannte Furtmeyr ist heute in vielerlei Hinsicht eine interessante und kulturhistorisch wichtige Neuentdeckung, die nicht nur für die Fachwelt aufregend ist. Zumindest eröffnet das Buch „Furtmeyr“ auch dem nicht primär kunstinteressierten Leser eine facettenreiche, spannende historische Epoche. Und selbst für die Fachwelt – folgt man den Ausführungen Christoph Wagners in seinem Beitrag „Ritter, Krieg und schöne Frauen – gibt es in diesem Buch einiges zu entdecken. So sei beispielsweise die Tatsache, dass Furtmeyr einer der großen Schlachtenmaler des späten 15. Jahrhunderts ist, „der Forschung bislang gänzlich unbekannt“.

Furtmeyr-Bibel, Salzburger Missale und Heidelberger Schicksalsbuc
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Natürlich ist das mächtige Buch zur Regensburger Ausstellung umfassend und prächtig illustriert. Das gilt nicht nur für den Essayteil, sondern auch für den Katalog, dessen Bilderläuterungen sich nach der Lektüre des Buches auch für den Laien als durchaus spannend herausstellen. Und ein wahrer Augenschmaus sind die 112 Seiten Bildtafeln, die dem Betrachter das Werk Furtmeyrs, von der Bibel über die Salzburger Missale bis zum Heidelberger Schicksalsbuch im Wortsinn vor Augen führen. Wie in der Ausstellung auch ist ebenfalls das Werk Albrecht Altdorfers mit seinen Altarbildern und den berühmten Wandmalereien im Bischofshof zu Regensburg sowohl im Essayteil als natürlich auch in der Dokumentation – die durchaus ein wenig mehr als nur „Katalog“ darstellt – berücksichtigt. Hier sicherlich ganz besonders interessant, die akribische Suche in den Archiven der Stadt Augsburg nach Spuren der Person Furtmeyr im Beitrag „Berthold Furtmeyr – sein Leben im sozialhistorischen Kontext“ von Dr. Heinrich Wanderwitz.

Problematische Kapitel

Um Wanderwitz hat sich unter anderem am Beitrag  „Regensburg zur Zeit Berthold Furtmeyrs“ aber auch eine Diskussion über antisemitische Tendenzen in Katalog und Ausstellung entwickelt. Es geht hier unter anderem um die Darstellung der Ereignisse in Zusammenhang mit den Regensburger Judenprogromen, die verwendeten Quellen und die Interpretation der sogenannten Ritualmordpsychose. Da diese Diskussion an dieser Stelle nicht geführt werden kann, hier der link zum Thema –  damit sich der Leser selbst ein Bild machen kann. Deutlich wird in jedem Fall, dass die Informationen wissenschaftlicher oder populärwissenschaftlicher Arbeiten und noch so solide erscheinender Bücher und Ausstellungskataloge nie als absolut hingenommen und immer nur als Anregung zur eigenständigen Auseinandersetzung mit dem jeweils interessierenden Thema genutzt werden sollten. Nicht nur im politischen, sondern eben auch im wissenschaftlichen Bereich tut man gut daran, die Darstellungen Einzelner mit der Darstellung Anderer oder wenn möglich mit eigenen Recherchen zu vergleichen.

Die Bildersprache in Spätgotik und Renaissance

Das Buch deckt mit seinen Beiträgen zweifellos ein breites Spektrum an möglichen Interessen seiner Leser an der Epoche in der Furtmeyr lebte, ab. Denn die Buchmalerei musste ja weniger dekorativen, sondern primär informativen und gewissen formalen Ansprüchen genügen. Sie musste religiöse oder profane Botschaften in eine für den Zeitgenossen verständliche Sprache der Bilder übersetzen, um verstanden zu werden. Die diesem Informationsziel unterworfene künstlerische Umsetzung und Interpretation der Botschaften durch Furtmeyr dokumentiert in ihrer Entwicklung also das Lebensgefühl und in gewissem Rahmen das tatsächliche Leben in dieser Zeit, die der Leser rational über die Texte und emotional über die Illustrationen aufnehmen kann.

Christoph Wagner, Klemens Unger (Hrsg.): Furtmeyr – Meisterwerke der Buchmalerei und die Regensburger Kunst in Spätgotik und Renaissance. Schnell&Steiner 2010. Fadengeheftet Pappeinband, 544 Seiten.

 

Ein Kommentar

Eingeordnet unter 3 Mittelalter, Ausstellungen, Rezension

Eine Antwort zu “„Meisterwerke der Buchmalerei“, das Buch zur Furtmeyr-Ausstellung

  1. A.Meyer

    Zum Thema Furtmeyr-Ausstellung bzw. Wanderwitz gibt auf folgender Seite zwei weiterführende Artikel.
    http://www.hagalil.com/archiv/2011/03/07/regensburg-4/
    http://www.hagalil.com/archiv/2010/12/14/regensburg/

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